Improtheater als Rednerschule für die Bühne
Beim Improvisationstheater gibt es kein Skript, an dem man sich festhalten könnte. Was auf der Bühne passiert, ist spontan und entsteht aus der Beteiligung des Publikums heraus. Kurzum: Improtheater ist das perfekte Training für Bühnenperformer. Warum genau, erfahren Sie in meinem persönlichen Erfahrungsbericht mit den Wendejacken im Allgäu.
Was ist Improvisationstheater?
Improvisationstheater oder auch Improtheater ist eine Theaterform, bei der improvisiert wird. Es werden Szenen gespielt, die davor nicht inszeniert wurden und die ihre Geschichte meist aus Zurufen des Publikum entwickeln. Diese Zurufe sind dann der Auslöser und die Inspiration für daraufhin spontan entstehende Geschichten. Improvisationstheater kann sehr lustig sein, da mitunter skurrile Situationen entstehen, die nur durch groben Unfug wieder aufgelöst werden können. Bei allem Spaß sollte eines allerdings nie fehlen: die absolute Präsenz und Geistesgegenwart der Schauspieler/innen.
Was kann man als Speaker und Trainer vom Improvisationstheater lernen?
Der Unterricht für Anfänger des Improvisationstheaters arbeitet mit einer Vielzahl von aktivierenden, Kreativität fördernden und Gruppenbewusstsein stärkenden Übungen, die sich hervorragend eignen, um die eigenen Sinne zu stärken oder eine Gruppe für bestimmte Themen oder Gruppenarbeiten zu sensibilisieren. Ich habe für mich persönlich und methodisch an den zwei Workshop-Tagen sehr viel dazugelernt und große Lust bekommen, weiter Improtheater zu spielen. Die Workshop-Leiter haben es geschafft eine Vertrauensatmosphäre herzustellen, in der sich alle ohne Schamgefühl öffnen und ausprobieren konnten. Drei besonders gute Übungen stelle ich an dieser Stelle exemplarisch vor:
Zip, Zap, Zop – Bing!
Die Teilnehmer stellen sich im Kreis auf. Eine Übung, bei der eine Bewegung an einen beliebigen Teilnehmer weitergegeben werden kann, z.B. ein Wischen mit beiden Händen. Es beginnt mit einem Zip, der nächste reicht die Bewegung mit einem Zap weiter, der darauf folgende mit einem Zop. Dann springen alle gemeinsam hoch und schreien Bing. Der Teilnehmer, der das Zop erhalten hat, beginnt von vorne mit einem Zip. Ziel des Spiels ist es einen gemeinsamen Rhythmus zu erreichen, diesen zu halten und sukzessive das Spieltempo zu steigern.
Eine sehr gute Übung um Präsenz zu üben. Wer sich nicht konzentriert und bei der Sache bleibt, wird keine zwei Runden überstehen. Wenn die Geschwindigkeit dann steigt, ergibt sich eine tolle Gruppendynamik. Die Übung ist gut geeignet für Trainings als Warm-up, zum Aktivieren und zum Fokussieren der Aufmerksamkeit. Eine ausführliche Sammlung solcher Übungen finden Sie hier.
Präsidentenrede
Die Teilnehmer wählen ein Phantasieland und ein Phantasiethema, über das der Präsident oder die Präsidentin nun in einer frei erfundenen Sprache des Phantasielandes eine Rede hält. Die Rede wird von einem weiteren Teilnehmer (oder Teilnehmerin) für das Publikum konsekutiv übersetzt, wobei der/die Übersetzer/in die Emotionen aufgreifen und eine ganz phantastische Geschichte erzählen kann.
Es ist eine wunderbare Übung, um sich überhaupt nicht auf den Inhalt und voll auf den Ausdruck eines Vortrags konzentrieren zu können. Spannend ist auch die Interaktion mit der Übersetzung, wobei man die Inhalte emotional aufgreifen und in die Gestik und Stimmung einbauen kann. In der Regel sehr lustig und eine tolle Erfahrung für die Teilnehmer.
Kino total
Drei Teilnehmer/innen sitzen nebeneinander und schauen auf die (imaginäre) Kinoleinwand. Der Film beginnt, ohne dass klar ist, was geschaut wird. Die Teilnehmer/innen sehen einander nicht an und lassen sich von dem Film in ihren Emotionen beeinflussen. Sobald die Zuschauer (die passiven Teilnehmer) das Gefühl haben, dass die drei Kinobesucher/innen den gleichen Film ansehen bzw. dieselbe Emotion darstellen, bekommen die Drei die Aufgabe, ihr Gefühl von 1 bis auf die Stufe 10 zu steigern.
Einerseits wird mit dieser Übung die Gruppenwahrnehmung geübt, um sich auf eine gemeinsame Emotion einzustellen, und zwar ohne klar verteilte Führungsrolle. Außerdem müssen die Teilnehmer/innen aus ihrer Komfortzone heraus und Emotionen in einer gesteigerten und übersteigerten Form darstellen, was sie im Alltag vermutlich so nie tun würden. Dass dies für das Publikum unglaublich lustig ist, versteht sich von selbst.
Wie kann man Improvisationstheater lernen?
Improvisationstheater ist mittlerweile in Deutschland sehr weit verbreitet. Die Plattform Impro-Theater.de bietet einen gewissen Überblick der deutschlandweiten Angebote.
Sehr zu empfehlen sind die Erwachsenenkurse des Allgäu-Ensembles mit den Schauspielern Norman Graue und Nadine Schneider. Norman und Nadine haben vor über 10 Jahren die Improtheater-Gruppe Die Wendejacken gegründet und unterrichten seitdem Jugendliche und Erwachsene. Außerdem bieten sie ihren Schüler/innen in sogenannten „Impulsen“ eine regelmäßige methodische Auffrischung der Kenntnisse und die Bühne zum freien Improvisieren.
Kursinformationen: http://www.die-wendejacken.de/#!kurse/ctzx
Weitere Informationen zum Thema Improvisationstheater: http://www.impro-theater.de/
Das Allgäu-Ensemble über den Nutzen der Arbeit mit Improvisationstheater:
Neben dem Spaß bringt die Arbeit mit Improvisationstheater folgende Förderungen mit sich:
Förderung der Kommunikationsfähigkeit, Förderung von Bewegung und Motivation, Verarbeitung von Problemen im Alltag und Suche von Lösungsansätzen, Denkanstöße für den Umgang mit den eigenen Stärken und Schwächen, Förderung von Sozialverhalten und Gruppengefühl, Aufbau von Vertrauen und Selbstbewusstsein, Abbau von Hemmungen und Blockaden, spielerischer Umgang mit Körper und Sprache, spielerischer Zugang zum Theater, Förderung der Phantasie und des Ideenreichtums, Pflege von gemeinsamen Regeln und Ritualen, Förderung von Konzentration und Intuition, Förderung des offenen und ehrlichen Umgangs.