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Was, wenn die Generation Alpha die Welt regiert? Interview mit Simon Schnetzer 

Wer ist die Generation Alpha und was verändert sich, wenn die Welt von den Kindern von heute regiert wird? Dies ist die Langfassung eines Interviews von 20min.ch mit Generation Alpha-Experte Simon Schnetzer im Januar 2024. Der gekürzte Beitrag ist hier erschienen: www.20min.ch/gen-alpha-simon-schnetzer 

Interview Generation Alpha - Simon Schnetzer 20min

Ist die Generation Alpha so schlimm wie sie dargestellt wird?

Nein. Aber sie zeigen uns deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns um sie kümmern und uns auf gemeinsame Regeln verständigen. Wenn sie Regeln nicht für sinnvoll erachten, reagieren Generation Alpha-Kids mit Respektlosigkeit oder Trotz. Das sorgt für Reibungen und führt dazu, dass Entscheidungen im Generationenkontext mehr Zeit benötigen.

Wer ist die Generation Alpha?

Die Generation Alpha ist keine Generation im soziologischen Sinne, sondern eine Altersgruppe, der wir das Label “Gen Alpha” gegeben haben. Als Geburtsjahrgänge dieser “Generation” haben wir 2010 bis 2024 definiert – sprich, die Generation Alpha ist (Stand 2024) zwischen 0 und 14 Jahren alt und lebt in der Regel in einem Haushalt mit mindestens einem Elternteil. 

Welche demografischen Besonderheiten gibt es bei dieser Altersgruppe?

Die Eltern der Generation Alpha gehören den Generationen X, Y und Z an, wobei die Generation Z-Eltern den geringeren Anteil ausmachen. Im Vergleich zu älteren Generationen haben Kinder und Jugendliche der Generation Alpha mit höherer Wahrscheinlichkeit ausländische Wurzeln und wachsen in einem multikulturellen Kontext auf. Auch gleichgeschlechtliche Eltern sind für die Generation Alpha keine Seltenheit mehr. 


Was sind besonders prägende Einflüsse auf das Leben der Generation Alpha?

Den wichtigsten Einfluss auf das Leben der Generation Alpha haben Eltern, Geschwister, Bildungseinrichtungen, Freunde sowie Apps und Devices. Kritisch für die Entwicklung von Kindern ist die verfügbare Zeit für deren Betreuung und Förderung von Seiten der Eltern wie auch in Bildungseinrichtungen. Deutliche Unterschiede in der Förderung von Kindern gibt es auch in Bezug auf die sprachlichen Voraussetzungen von Eltern, deren finanzielle Möglichkeiten, das soziale Umfeld und pädagogische Entscheidungen wie Altersbeschränkungen für ein eigenes Handy. 

Ist die Generation Alpha “schlechter erzogen” als die Generationen vor ihnen?

Nein, sie ist nicht schlechter erzogen, sondern einfach anders als bisher. Die Generation Alpha wächst in der Familie mit einem kooperativen Umfeld mit wenigen, flexiblen Grenzen auf. Sie werden dazu erzogen, eine eigene Meinung zu haben und diese auch zu verteidigen. Wenn ein Kind keine Lust hat auf die Pläne der Eltern, sagt es dazu einfach nein, denn es weiß: Ein Nein ist ein Nein.

Welche Herausforderungen haben Eltern, die Kinder der Generation Alpha erziehen?

Die Generation Alpha zeigt wenig Respekt allein aufgrund von Alter, Autorität, Erfahrung oder Wissen. Eltern stehen vor der Herausforderung, ihren Kindern auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen Raum zu geben, selbst aktiv an der Gestaltung ihres Lebens teilzuhaben. Es ist von entscheidender Bedeutung, Kinder vor der digitalen Abhängigkeit zu schützen. Durch die Förderung von sportlichen Aktivitäten im Verein oder sozialem Engagement können Eltern dazu beitragen, echte menschliche Kontakte, Freundschaften und Rückhalt im realen Leben zu stärken. Auch regelmäßige digitale Auszeiten ohne Handy & Co. für Kinder und ihre Eltern (als Vorbild) helfen gegen diese Abhängigkeit. 

Wie wird die Welt, wenn die Generation Alpha sie regiert?

Im Grunde genommen besitzt die Generation Alpha vielversprechende Voraussetzungen, um die Zukunft positiv zu gestalten. Die entscheidende Frage lautet jedoch, ob wir ihnen die Möglichkeit dazu geben. Es ist wenig hilfreich, den Kindern ständig zu vermitteln, dass die Zukunft düster aussehen wird. Unsere Herausforderung besteht darin, den jungen Menschen Glauben und Hoffnung für die kommenden Jahre zu vermitteln. Sie müssen daran glauben, dass es sich lohnt, sich für eine bessere Zukunft einzusetzen. 


Kann die Generation Alpha starke Führungspersönlichkeiten hervorbringen?

Kinder entwickeln sich mit ihren Herausforderungen, und dies gilt insbesondere für Führungsaufgaben. Damit sie wachsen können, müssen wir sie herausfordern und unterstützen. Die Förderung von Kindern bedeutet nicht, ihnen sämtliche Hindernisse aus dem Weg zu räumen (Stichwort “Rasenmähereltern”) oder stets "Ja" zu sagen, wenn sie keine Lust mehr auf etwas haben. Stattdessen benötigen sie motivierende Projekte und den Raum, um ihre Selbstwirksamkeit zu erleben. Für Eltern, Lehrerinnen oder Ausbildungsleitungen bedeutet dies, sich auf die Generation einzulassen, Kontrolle abzugeben und gemeinsam mit ihnen zu wachsen.

Wie kann die Generation Alpha lernen, angemessen mit Grenzen und Autorität umzugehen?

Ein wirksamer Ansatz besteht darin, die Erfahrung von Respektlosigkeit aus der gegenteiligen Perspektive zu erleben. Eine konkrete Maßnahme könnte die Teilnahme an Pflichtpraktika in Zusammenarbeit mit der Gemeinde, der Pausenaufsicht oder der Polizei sein, um einen Einblick in die Arbeit mit Grenzen zu gewinnen. Alternativ könnten sie Interviews mit Häftlingen führen, um die Konsequenzen von Grenzüberschreitungen besser zu verstehen. Letztlich geht es darum, eine gemeinsame Vision für ein respektvolles Miteinander zu entwickeln, die sowohl Jüngere als auch Ältere dazu motiviert, sich dafür einzusetzen. Dies schließt auch die Einhaltung gemeinsamer Regeln mit ein.

Umfrage Generation Alpha

Fazit

Auf die Frage, wie Leserinnen und Leser von 20min.ch die Zukunft mit der Generation Alpha sehen, war das Ergebnis alles in allem eher pessimistisch. Ich weiß aus eigener Erfahrung als Vater von drei Alpha-Kids und als Jugendforscher, wie schwer es ist, in diesen Zeiten jungen Menschen Zuversicht zu geben. Wir müssen uns zusammenreißen und lernen, den positiven Aspekten mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wir sollten unseren Kindern Hoffnung schenken, auch im eigenen Interesse. Wofür lohnt es sich sonst zu leben und zu streben?