Am 13. Oktober 2015 veröffentlicht die Shell Deutschland Oil GmbH die 17. Shell Jugendstudie in Berlin. Zum ersten Mal untersucht das Team um Prof. Dr. Klaus Hurrelmann in dieser Studie eine junge Generation, die kein getrenntes Deutschland erlebt hat und für die eine digitale Identität ganz natürlicher Teil ihres „Real Life“ ist.


Shell Jugenstudie 2015Für die Studie wurden seit Anfang 2015 über 2.500 Jugendliche im Alter von 12 bis 25 Jahren zu ihrer Lebenssituation, ihren Glaubens- und Wertvorstellungen sowie ihrer Einstellung zu Politik befragt. Die 17. Shell Jugendstudie analysiert, wie junge Menschen heute ihren Platz in der Gesellschaft finden und was sie benötigen, um glücklich zu sein. Sie stellt dar, ob die Jugend weiterhin pragmatisch mit alltäglichen Herausforderungen umgeht und wie sie die Zukunft unserer Gesellschaft beurteilt.

 

Über die Jugend und jungen Erwachsenen 2015

Die Identität junger Leute wird heute besonders stark von der Peergruppe – real und digital – geprägt. Onlineeinfluss in Form von Likes, Follower, Klicks und Kommentare hat als Statussymbol anderen Symbolen den Rang abgelaufen. Eltern und Persönlichkeiten aus Sport und Musik sind nach wie vor prägende Vorbilder.

Die Heimat zeigt im Verlauf der Lebensphasen viele Gesichter: hier will ich nicht weg, hier will ich weg, hier muss ich weg, da mag ich wieder hin, da kann ich nicht mehr hin. Ob die Heimat ein Ort für die Zukunft ist, hängt ganz stark davon ab, ob der Ort den wir Heimat nennen berufliche und familiäre Perspektiven bietet. In einer Zeit emanzipierter Beziehungen und prekärer Einkommenssituationen, reicht ein Einkommen für Familie und Verwirklichung nicht aus.

Die Arbeit soll möglichst viel Spaß machen. Diese Antwort geben junge Leute, solange sie nicht arbeiten müssen (Schule, Studium, Erbe …) – junge Beschäftigte denken wesentlich pragmatischer und ihnen ist Arbeitsplatzsicherheit und gute Arbeitsatmosphäre am wichtigsten (siehe IG BCE-Jugendstudie).

Das Internet ist für junge Leute nichts besonderes mehr – es verwirrt nur Forscher über die Jugend, wie selbstverständlich es für junge Menschen ist und was sich dadurch kulturell verändert. Wer junge Leute heute untersucht, muss die Dimension Internet mitdenken, weil sie anders kommunizieren, auf Anreize reagieren, sich anders kennenlernen, mit Wissen umgehen, anders lernen, mobiler arbeiten und ein anderes Verständnis davon haben, an einem Ort zu sein und etwas zu erleben.

Die Lebensphasen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben sich auf der Altersskala nach hinten verschoben. Der Eintritt in das Berufsleben hat sich zunächst mit der Akademisierung nach hinten verschoben und erfolgt durch G8 und Bachelor-Studium wieder etwas früher. Die Gründung einer Familie hat sich für viele in die späten 20er und 30er verlagert – und für einige Männer noch später. Gründe hierfür sind einerseits das Ausleben aller Möglichkeiten, bevor man sich für Familie und das Ende der Freiheit entscheidet und andererseits die Angst nicht über genügend Sicherheit zu verfügen.

Diese Aussagen basieren auf den Ergebnissen der Studien Junge Deutsche 2015 und 2011, Toleranz Online 2014, IG BCE Jugendstudie 2013 und Decoding Digital Connections 2012. 

 

Prognose für die nächsten Generationenlabels

junge Deutsche

Labels für eine Generation stimmen nie für alle. Da es die Arbeit erleichtert, wenn man Menschen in eine Schublade packen oder einer Gruppierung zuordnen kann, wird es immer wieder Versuche geben, jungen Alterskohorten oder vermeintlichen Generationen ein Label aufzudrücken. Meine Prognosen für die kommenden Jahre sind:

  • Generation BlaBla
    Junge Menschen kommunizieren ständig und häufig nur damit reagiert wurde. Billige Mobilität zwischen Städten z.B. mit BlaBla-Car ist angesagt und da wird auch viel und oft sinnlos gequatscht.
  • Generation Revolution
    Weil junge Menschen sich gerne so fühlen, als würden sie was vollkommen Neues tun, um später herauszufinden, dass ihre Väter und Mütter in der Jugend genau dasselbe getan haben.
  • DE-Generation
    Weil sie selbstbewusst deutsch sind, auch wenn sie offensichtlich migratorische Wurzeln auf anderen Kontinenten der Erde haben.
  • Generation Abi
    Weil alle das Abitur anstreben als vermeintlich einzigen Weg zur beruflichen Erfüllung.
  • Generation Königskinder
    Weil ihre Eltern alles für sie tun. Und wenn die Eltern nicht können, dann springt der Staat ein und keiner muss hungern.
  • Generation No Real Life
    Weil junge Leute die ganze Zeit vernetzt sind, zieht das wirkliche Leben an ihnen vorbei. Ein Like im Internet kann an keinen Kuss ranschmecken 🙂
  • Generation Keine Zeit
    Auf sämtlichen Kanälen wollen alle die Aufmerksamkeit junger Menschen mit allen Tricks und Mitteln – kein Wunder, dass sie eigentlich nie für etwas Zeit haben.
  • Generation Z
    Nach Generation X (geprägt von dem gleichnamigen Buch von Douglas Copeland) kam die Generation Y – folgerichtig müssten dann die unter 15 Jährigen die Generation Z sein.
  • Ergänzungen der Liste: bitte hier

Fazit und Kritik der letzten Shell Jugendstudie 2010

Ich bin gespannt, was die Autoren in der Shell Jugendstudie 2015 besonderes über „die Jugend“ herausfinden und welches Generationenlabel sie „der Generation“ geben. In der Shell Jugendstudie 2010 kamen die Autoren zu der Schlussfolgerung, dass die häufig als Generation Y bezeichneten Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine pragmatische Generation seien, die sich weder durch die Wirtschaftskrise, noch durch unsicher gewordene Berufsperspektiven von ihrem Optimismus abbringen lassen. Darüber hinaus beobachteten die Forscher eine starke Familienorientierung, einen gefestigten Glauben daran, berufliche Ziele erreichen zu können und ein (gegenüber früheren Untersuchungen) gestiegenes Interesse an Politik.

Kritik muss sich die Shell Jugendstudie gefallen lassen, 1) weil die Stichprobe mit 2.500 Teilnehmer/innen relativ gering ist, 2) weil der Begriff von Jugend für das Erwachsenwerden von heute bis 25 Jahre sehr eng gefasst ist und 3) weil sie wenig differenziert zwischen den Sichtweisen und Perspektiven unterschiedlicher Gruppierungen. Was zudem zeitgemäß wäre: Die Studie um eine Sonderauswertung junger Migranten und Flüchtlinge in Deutschland zu ergänzen. Andere Jugenduntersuchungen, die eine weitere Altersspanne untersuchen sind z.B. die AIDA-Untersuchung des Deutschen Jugendinstituts (bis 29 Jahre) oder die Studie Junge Deutsche 2015 von Datajockey (bis 34 Jahre). Die Untersuchung junger Menschen bis in die Mitte-30 erlaubt es sämtliche Lebensphasen des Erwachenwerdens zu erfassen und dadurch die Entwicklung von Einstellungen besser zu verstehen – die Lebensphasen sind: Schule, Ausbildung/Studium, Beruf, Partnerschaft, Familie.

Was die Shell Jugendstudie besonders spannend macht ist, dass sie seit 1953 in regelmäßigen Abständen die Situation junger Menschen in Deutschland untersucht. Es wäre super, wenn Shell einmal die Entwicklungen der Jugend über die letzten 62 Jahre Nachkriegszeit hinweg präsentieren würde.


 

Über den Autor: 

Simon Schnetzer ist Jugendforscher und präsentiert als Speaker und Trainer wie die Generation Y & Z ticken (oder junge Leute allgemein) und wie Unternehmen gute Mitarbeiter finden und binden können. Mit seiner Firma Datajockey führt er Jugendforschungs- und Beteiligungsprojekte durch, wie z.B. ein Schülerforschungsprojekt über die Situation junger Flüchtlinge in Deutschland.