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Studium 2019: Wie ticken Studierende der Generation Z?

Meine Arbeit mit Studierenden, Studentenwerken und Hochschulen dieses Jahr geben ein umfassendes Bild über die Lage am Campus: der Druck steigt, Freiraum zur Entfaltung wird weniger und Zweifel an der Berufsqualifizierung durch ein Studium nehmen zu. Wie also ticken Studierende heute? Und was können Hochschulen, Studierendenwerke und Dozierende tun, um Studierende in dieser wichtigen Lern- und Orientierungsphase im Leben zu unterstützen? Generation Z im Studium: Experten-Tipps von Jugendforscher Simon Schnetzer.


1 .  Studierenden-Auswertung der Studie Junge Deutsche 2019

Für Studierende der Generation Z ist Leistungsdruck das Megathema. Die große Frage, die das ganze Studium bestimmt ist, ob sie gut genug sein werden, um nach dem Studium die gewünschten Chancen zu haben. Nachfolgend sehen Sie, wie Studierende der Generation Z ticken, basierend auf den Ergebnissen der Repräsentativbefragung Junge Deutsche 2019

Die prägendsten Einflüsse

  1. 71% Zusammenhalt in der Familie
  2. 67% Leistungsdruck
  3. 61% Smartphone-Nutzung
  4. 58% Nachhaltige Lebensweise
  5. 50% Angst vor der Zukunft

Erwartungen an einen guten Arbeitgeber

  1. 62% Gute Arbeitsatmosphäre
  2. 59% Gute Balance von Arbeit und Freizeit
  3. 53% Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  4. 50% Etwas tun, das ich sinnvoll finde
  5. 46% Langfristige Sicherheit des Arbeitsplatzes

Die größte Motivation für Leistung

  1. 51% Spaß
  2. 42% Ziele erreichen
  3. 40% Etwas Sinnvolles tun
  4. 37% Leidenschaft
  5. 37% Gute Arbeit zu leisten

* Hinweis: Die Daten basieren auf der Auswertung der Repräsentativbefragung „Junge Deutsche 2019“. Auswertung Studierende heute – Studium BA/MA/Dual (N = 158) 


2 .  Generation Z Studierenden-Interviews

Die Bologna-Reformen des Hochschulsystems von 1998 sind längst umgesetzt. Doch wie ist es heute zu studieren? Diese Fragen habe ich in zahlreichen Interviews mit Studierenden diskutiert und hier drei Themen aufbereitet: Herausforderungen, Übergang ins Berufsleben und gute Vorlesungen. 

Was sind die größten Herausforderungen im Studium heute?

  • Balance zwischen Studium und Privatleben hinzubekommen plus Projekte machen
  • Zu wenig Zeit, weil das Studium voll vereinnahmt
  • Keine Freiräume für Extracurriculum-Aktivitäten und Engagement (obwohl es genau darauf ankäme)
  • Mangelnde (wahrgenommene) Relevanz vieler Studieninhalte
  • Neben dem Studium noch Praxiserfahrungen zu sammeln

Was finden Studierende besonders wichtig für den Übergang ins Berufsleben?

  • Beziehungen / Connections / Vitamin B aufbauen und pflegen
  • Networking Events besuchen
  • Praktikumsmessen nutzen
  • Externe / Gäste aus der Praxis in die Vorlesungen einbinden
  • Aufgezeigt bekommen, welche beruflichen Perspektiven es gibt
  • Verstehen, was die beruflichen Perspektiven bedeuten („Berufsidentitäten“)
  • Dass Dozenten die Studierenden aufbauen und ermutigen (anstatt sie runterzumachen, was leider manchmal passiert, á la „es ist eh fraglich, ob ihr bei dem Wettbewerb überhaupt eine Chance habt“)

Was ist eine gute Vorlesung aus Sicht der Studierenden?

  • „In einer guten Vorlesung habe ich kein Interesse oder keine Zeit, auf mein Smartphone zu schauen“
  • „Die Smartphone-Nutzung in der Vorlesung verbieten geht gar nicht! Höchstens, wenn es dann extra Kommunikationspausen gibt …“
  • „Vorlesungen sollen Spaß machen und einen Mehrwert bieten. Skript ablesen kann ich auch zuhause und habe dadurch mehr gelernt“
  • Gute Dozenten gestalten die Vorlesung abwechslungsreich: Sie zeigen mal ein Video, bauen eine Abstimmung zur Einschätzung zu einem Thema ein, oder lassen die Studierenden frei Aufgaben lösen
  • In einer guten Vorlesung ist die Relevanz der Inhalte klar, indem Dozierende das WARUM klären, konkrete Anwendungsbeispiele aufzeigen und eine transparente Abgrenzung bzgl. der Prüfungsrelevanz vornehmen
  • Sehr cool finden Studierende Vorlesungen/Kurse mit Vision: das Ziel ist Relevant und wird mit jeder Vorlesung/Übung wie bei einem Puzzle sichtbarer bzw. der Lernfortschritt ist kontinuierlich spürbar

3 .  Ankommen für Erstsemester: mit einem Ersticamp

„Ankommen im Studium ist nicht immer leicht. Es hilft, sich zu vernetzen und zu sehen, welche Möglichkeiten es an der Hochschule gibt“
Leiterin der Zentralen Studienberatung Miriam Bischoff über das Ziel des Ersticamps

„Das Tolle an einem Barcamp ist, dass die Studierenden selber Themen einbringen können und Leute treffen, die ähnliche Interessen haben“
Simon Schnetzer, Jugendforscher und Moderator des Ersticamps

Über 150 Studierende der sind der Einladung der Studienberatung der Hochschule Aalen gefolgt, auch wenn sie zu Beginn noch nicht so recht wussten, was auf sie zukommt. Session, Pitch und die Bienchenregel sind zwar wesentliche Elemente eines Barcamps – den meisten jedoch in der Form bis dahin noch nicht bekannt. Nur 45 Sekunden hat ein Sessiongeber ganz am Anfang Zeit, seine Inhalte zu pitchen und die Teilnehmenden für seinen Workshop zu begeistern. An welcher Session die Erstsemester teilnehmen möchten, entscheiden sie selbst. Wichtig ist vor allem eines: Es soll Spaß machen und Teilnehmenden wie Sessiongebern einen Mehrwert bringen.

Beispiele für Sessions beim Ersticamp

  • Studium Generale als Heldenreise
  • Erfolgsgeschichte eines Absolventen
  • Internationale Freundschaften im Buddy Programm
  • Brainwriting als Methode für schnelles Problemlösen
  • Selbstvertrauen für Studienanfänger

Die Bandbreite der angebotenen Sessions war groß, spannend und vielfältig. Ein Highlight war sicherlich das sehr gut besuchte Speeddating, bei dem sich die Studierenden ungezwungen über ihre Schuhgröße, Vorbilder oder Essensvorlieben austauschen konnten und neue Freundschaften knüpften.

Aus der Pressemitteilung HS-Aalen https://www.pressebox.de/pressemitteilung/hochschule-aalen-technik-und-wirtschaft/Barcamp-fuer-Erstsemester-an-der-Hochschule-Aalen/boxid/981083


4 .  Beratertage und PR-Tage des DSW

Der Beratungsbedarf von Studierenden nimmt enorm zu. Bei der Beratertagung 2019 des Deutschen Studierendenwerks (DSW) trafen sich 140 Berater*innen von Hochschulen und Universitäten, um die Generation Studium besser zu verstehen und Erfahrungen auszutauschen, wie sie deren Bedürfnisse besser bedienen können.

Umgang mit steigenden Erwartungen der Studierenden an Beratung?

  • Der Leistungsdruck nimmt zu
    » Studierende vergleichen sich permanent mit anderen und sorgen sich, ob die Noten für ihr nächstes Ziel reichen wie z.B. die Masterzulassung. Tipps und Kurse für mehr Studienerfolg und Achtsamkeit werden immer wichtiger.
  • Bei Problemen helfen WhatsApp-Freunde wenig
    » Studierende sind es gewohnt, im Alltag schnell digitales Feedback zu bekommen. Im Studium bevorzugen sie für ihre Probleme und Ängste (Finanzen, Druck, Zukunft) reale Ansprechpartner mit Erfahrung und Tipps. In der Regel sind das die Eltern und immer mehr auch die Studienberater*innen.
  • Erwartungshaltung an schnelle Rückmeldung
    »  Die Wartelisten der Studienberatung werden länger und die Geduld der Wartenden, die Insta-Feedback gewohnt sind, geringer. Studienberatungen machen gute Erfahrungen mit ergänzenden Angeboten wie Online-Beratung, Online-Kursen z.B. zu Finanzierungsthemen, Beratungs-Meetups, oder Selbsthilfegruppen, um schneller helfen zu können, trotz begrenzter Ressourcen.

5 .  Aktuelle Forschung und Veranstaltungen: "Studierende der Generation Z"


6 .  Fazit: Studieren heute und morgen

Immer mehr Jugendliche wollen studieren, um ihre Chancen für die Zukunft zu verbessern. Doch der Wert eines Studiums verändert sich in der Wahrnehmung der Studierenden, weil das Studium so verschult ist, Zeit für Praxiserfahrung fehlt und die Wertigkeit einer Ausbildung einem Bachelor-Abschluss in nichts nachsteht (im Gegenteil). Dadurch ist die Zeit an der Uni oder Hochschule ziemlich umentspannt geworden: viel Druck, wenig Freizeit und Engagement.

Daher wünsche ich Hochschulen, dass sie

  • mehr Freiräume in Lehrplänen und Vorlesungen nutzen,
  • mehr Kontakte herstellen: zur Praxis, zu ehemaligen und zwischen Studierenden (semesterübergreifend) und
  • gute Beratung und Informationsangebote zur Verfügung stellen (z.B. mit einem Ersticamp)

Und Studierenden wünsche ich, dass sie

  • sich frühzeitig über Perspektiven informieren, um Sinn in ihrem Studium zu erkennen
  • von Dozierenden proaktiv die Relevanz der Inhalte, Kontakte zur Praxis und Beteiligung in der Vorlesung einfordern
  • sich Freiräume nehmen, um sich zu engagieren

Studienzeit ist eine geniale Zeit um Neues zu lernen, Menschen zu treffen und Erfahrungen zu sammeln. Kurzum, zu tun, was uns von künstlich intelligenten Systemen unterscheidet. Dieser Auftrag wird für Hochschulen immer wichtiger: emotionale Intelligenz als Alleinstellungsmerkmal von Menschen zu fördern.