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Interview: Joshua Kocher und Simon Schnetzer

Warum Millennials sich nicht entscheiden können und wir einen Tinder-Knigge benötigen

Um den Journalistischen Nachwuchs zu fördern, stehe ich der Akademie für Publizistik (Hamburg) als Jugendforscher für Experteninterviews zur Verfügung. Dieses Interview war in zweierlei hinsicht überraschend: Ich kannte die Fragen nicht und ich bin begeistert, was Herr Kocher aus dem Interview gemacht hat.
Autor: Joshua Kocher (Twitter @kochunder)  im Rahmen eines Seminars der Akademie für Publizistik

Interview -Teil 1

Herr Schnetzer, erklären Sie einem Millennial doch mal, warum er sich nicht festlegen kann.

Weil die Auswahl immer größer geworden ist. In ihrer Jugend war die Lebenswelt der Millennials der ihrer Eltern noch ziemlich ähnlich. Auch als sie erwachsen wurden, erste Beziehungen eingingen, da gab es noch nicht so viele Entscheidungsmöglichkeiten. Sie kannten noch die Zeit, als man potenzielle Partner persönlich nach der Telefonnummer fragen musste. Und zwar die Nummer des Familientelefons, wo man erst am Vater vorbeimusste. Um diesen Schritt zu gehen, musste ich mir ziemlich sicher sein, dass ich es ernst meine. Die analoge Zeit erforderte ein klares Commitment, man musste sich festlegen.

Und dann kamen die Handys. Was hat sich dadurch verändert?

Die Kontaktaufnahme wurde einfacher, weil digitaler, direkter und unverbindlicher. Jemanden auf Facebook als Freund hinzuzufügen ist einfacher, als ihn oder sie persönlich nach der Telefonnummer zu fragen. Der Entscheidungskosmos wurde dadurch immer größer, verstärkt auch durch Social Media. Wenn man auf Instagram sieht, wie sein Kumpel sich mit seiner Partnerin dauernd schicke Urlaube gönnt, dann hat jemand, der einfach nur eine schöne normale Beziehung führt, das Gefühl, er hat ein Scheißleben. Das betrifft die Generation Z, also die nachfolgende Generation, noch stärker.

Warum?

Für Millennials ist es noch üblich, auf ihr Bauchgefühl zu hören und Eltern oder Referenzpersonen, zum Beispiel den Verkäufer in der Buchhandlung, um Rat zu fragen. Bei der Generation Z ist das nicht mehr so. Sie sind es gewohnt, ihre Entscheidungen von der Jugend an auf digitaler Bewertungsbasis zu treffen. Dazu kommen die immensen Auswahlmöglichkeiten, die es im Netz gibt. Deshalb entscheidet sich die Generation Z am liebsten dafür, alle Möglichkeiten zu haben: Kreisverkehr statt Sackgasse.

Und ist das gut oder schlecht?

Ich sehe zunehmende Depressionen oder Angstzustände aufgrund des fehlenden Gefühls, eine gute Entscheidung treffen zu können.

Woran machen Sie das fest?

Ich sehe auf Berufsmessen diese frustrierten, hilflosen Blicke bei jungen Menschen, die im digitalen Dauerstrom gefangen sind. Ich sehe Unternehmen, die bestimmte junge Menschen gar nicht mehr einstellen, weil sie sagen: Solange du nicht weißt, was du in deinem Leben willst und warum deine Entscheidung für unser Unternehmen eine gute Entscheidung ist, vertun wir nur unsere Zeit mit dir. Ich sehe junge Menschen, die über ihr Beziehungsleben sagen, dass es so unbefriedigend sei, sich mit jemandem zu treffen, der sagt: Unser Matching-Score ist nur 83 Prozent und ich habe noch fünf Dates offen, bei dem er bei 87 oder 91 Prozent liegt. Anstatt sich voll auf eine Erfahrung einzulassen, tickert immer im Hintergrund: Es könnte noch was besseres kommen. Jungen Menschen fehlt das Bewusstsein, dass es ihnen gut tun würde, sich aus dieser digitalen Überfrachtung mal zu lösen.

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Interview -Teil 2

Die älteren Generationen haben ja technisch gesehen die gleichen Voraussetzungen. Auch sie können Dating-Apps nutzen. Können die sich davon frei machen?

Natürlich gibt es auch unter ihnen welche, die nicht aus der digitalen Ablenkung herauskommen. Aber: Sie haben grundsätzlich gelernt, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Sie sind auch nicht so abhängig von Feedback, wie es die jüngeren Generationen sind. Bei denen hängt das Gefühl, etwas richtig gemacht zu haben, stark davon ab, ob sie dafür Likes, also Bestätigung bekommen. Und zwar nicht erst in einem Monat, sondern sofort. Sie sind sofortiges Feedback gewohnt – und die Elterngeneration eben nicht. Da hat man einen deutlichen Generationenunterschied.

Werden wir uns da irgendwann dran gewöhnen, oder wie geht es weiter?

Die große Aufgabe wird es sein, das Digitale und das Analoge zu verknüpfen und in Einklang zu bringen. Es müssen Grenzen und Verhaltensregeln definiert werden. Auch auf Tinder müssen Respektregeln herrschen. Im Moment ist das Wild-West. Aber so kann es nicht weitergehen, wir machen uns damit kaputt. Es muss gelingen, einen neuen Knigge für die Zukunft zu erstellen. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens darin, wie wir den digitalen Wandel im Guten für uns nutzen – und wie wir mehr in unserer Ruhe sein können.

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