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Portrait Simon Schnetzer © Pio Mars
Portrait Simon Schnetzer © Pio Mars

Interview mit mir selbst:Der Jugendforscher Simon Schnetzer stellt sich seinen Fragen über die Zeit nach der Corona-Krise

Was bedeutet die Corona-Krise für die junge Generation?

Die Corona-Krise ist eine einschneidende Erfahrung, die junge Menschen der Generation Z & Alpha im Erwachsenwerden besonders prägen werden. Die Zeit des Lockdowns bedeutet für viele die Erfahrung von sozialer Einsamkeit, Motivationslosigkeit aufgrund mangelnder Ziele (Prüfungen, Reisen, Feiern, Erfolgserlebnisse), Frust über digitale Inkompetenz im Bildungsbereich, zunehmende wirtschaftliche Ängste und die Erfahrung, dass Freiheitsrechte und Wohlstand keine Selbstverständlichkeit sind. Junge Menschen werden Freiheit, Wohlstand und das persönliches Miteinander in Zukunft viel mehr wertschätzen. 

 

Heißt die junge Generation künftig Generation Corona?

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir mit den Buchstaben X, Y, Z und Alpha als Generationenbezeichnungen schon ganz gut bedient sind. Diese Label sind international verbreitet und vereinfachen den öffentlichen Diskurs über gesellschaftliche Entwicklungen. Was dafür spricht, die Generation Z und Alpha als Generation Corona zu bezeichnen ist, dass die heutigen Kinder und Jugendlichen wie die Nachkriegsgeneration, ein Land nach der Corona-Pandemie wieder aufbauen und sich Wohlstand und Sicherheit neu erarbeiten müssen. Was dagegen spricht ist, dass diese Generation bereits von vielen anderen Einflüssen geprägt wird und niemand weiß, was noch kommt. Wünschenswert wäre, wenn wir diese Generation in Zukunft die Generation Klimarettung nennen könnten.  

 

In welchen Bereichen erwarten Sie die größten Veränderungen aus Sicht der Generation Z & Alpha?

Die größten Veränderungen erwarte ich in den fünf Bereichen Bildung, Wohlstand, Zusammenhalt, berufliche Perspektiven und Demokratie. Ich formuliere bewusst keine klare Erwartung, sondern Frage, auf die es aus meiner Sicht ankommt, um gute Lösungen zu entwickeln: 

  • Bildung: Welches neue Selbstverständnis geben wir Bildungseinrichtungen und Lehrkräften, wenn die Digitalisierung von Bildung nicht mehr umkehrbar ist? 
  • Zusammenhalt: Welche Vision geben wir dem Land, um dem sozialen Miteinander eine Richtung zu geben und dem Gegeneinander eine Absage zu erteilen?
  • Berufliche Perspektiven: Welche Möglichkeiten bieten wir jungen Menschen, um trotz hoher Arbeitslosigkeit einen Einstieg in die Berufstätigkeit zu finden? 
  • Wohlstand: Wie sehr kann die Politik wirtschaftliche Verluste (privat und beruflich) auffangen und die Last gerecht verteilen, um soziale Spannungen zu reduzieren? 
  • Demokratie: Wie gut gelingt es der Politik, Beteiligung für die Gestaltung der Zukunft zu ermöglichen und Freiräume für kreative Lösungsfindung zuzulassen?

 

Bisher haben Sie die Generation Z mit den drei Worten “Spaß, Sinn und Sicherheit” beschrieben. Was glauben Sie, wie die Veränderungen durch die Corona-Krise die Generation Z prägen wird? 

Ich glaube, dass das Streben nach Sicherheit künftig das allerwichtigste sein wird. Das ist insofern nicht neu, weil die Generation Z mit vielen Krisen aufgewachsen ist. Doch nie waren diese so deutlich spürbar wie die Klima-Krise und die Corona-Krise. 

Ich glaube, dass die Generation Z in Zukunft noch pragmatischer Ihre Entscheidungen für Bildung und Beruf dem Wunsch nach Sicherheit unterordnen werden. Den Luxus der freien Entfaltung ohne konkretes Ziel werden sich vermutlich weniger leisten (können).  

Ich glaube, dass die Generation Z  für eine Weile bescheidenere Erwartungen an Arbeitgeber stellen wird, um in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit überhaupt einen Job zu bekommen. Gleichzeitig wird die Anforderung an Führungskräfte steigen, um Teamgeist und Motivation hoch zu halten.

Ich glaube, dass die Generation Z sich für ein bis zwei Jahre versuchen wird, langfristige Entscheidungen mit internationalen Reisen so kurzfristig wie möglich zu treffen. Die Erfahrung, dass Reisepläne von einem auf den anderen Tag unmöglich sind, sitzt tief. 

Ich glaube, dass die Generation Z sich wie selbstverständlich an neue, restriktive Bestimmungen für Reisen und Events gewöhnen wird (z.B. Gesundheitsnachweis als Einreisebeschränkung und Fiebermessen beim Einchecken). Die Sicherheitsvorkehrungen seit den 9/11-Anschlägen gelten heute als normal. 

Ich glaube, dass ein wesentliches Auswahlkriterium der Generation Z für Bildungseinrichtungen in Zukunft die digitalen Lern-, Unterrichts- und Prüfungsangebote sein werden. Die Erfahrung lehrt die Generation Z, dass der Bildungsbetrieb bei digitalen Vorreitern trotz Ausgangssperre zuverlässig und hochwertig weiterging. 

Ich glaube, dass die Generation Z maßgeblich das kulturelle Leben wieder aufbauen wird, in dem sie Pop-up-Bars betreibt, Events veranstaltet und Leerstände mit leben füllt. Wenn nach einer Pleitewelle nur noch wenig geboten wird, ist die junge Generation bereit sich zu engagieren. 

Ich glaube, dass sich das Shopping-Verhalten der Generation Z nach der Corona-Krise noch stärker auf Love-Stores und Online-Handel konzentriert. Love-Stores sind Händler, die Kunden als Community begreifen und trotz Ausgangssperre den Kontakt gewahrt haben.

Ich glaube, dass die Generation Z bzgl. ihrer politischen Meinungsvertretung in Zukunft noch stärker auf ökologisch und sozial setzen wird, sofern diese mit überzeugenden Visionen für Beschäftigung, Wohlstand und Sicherheit aufwarten.  

 

Was wird sich in Kommunen ändern? Und was können Städte und Gemeinden der Generation Z Gutes tun?

Städte und Gemeinden werden erhebliche finanzielle Probleme haben, hohe Arbeitslosigkeit, eine angeschlagene Kulturlandschaft, viele Leerstände und zunehmende soziale Spannungen.  

In der letzten Wirtschaftskrise vor 10 Jahren wurden viele junge Menschen arbeitslos, oder haben nach ihrer Ausbildung gar nicht erst einen Job gefunden. Auch in dieser Krise werden viele Junge arbeitslos werden oder keine Anstellung finden und sich um Unterkunft in der Heimat im Hotel Mama bemühen. Städte und Gemeinden könnten für diese jungen Menschen gezielte Angebote schaffen, damit Heimkehrer sich temporär engagieren können, gute Lern- und Bewerbungsorte vorfinden und als Teil der Gründerszene den Wiederaufbau der Wirtschaft unterstützen. 

 

Was wird sich für Arbeitgeber ändern? Was empfehlen Sie denen im Umgang mit der Generation Z?

Viele Unternehmen und Arbeitgeber müssen Menschen entlassen, weil sie diese durch den krisenbedingten Umsatzeinbruch nicht weiter beschäftigen und bezahlen können. Auch wenn Arbeitgeber keine direkte Schuld daran tragen, bedeutet das einen Vertrauensverlust in die Arbeitsplatzsicherheit der Branche und des Unternehmens. In der Zeit nach der Krise wird es darauf ankommen, den Glauben der Mitarbeiter*innen an die Vision zu stärken, das Miteinander in neuen (reduzierten) Team-Konstellationen zu fördern und mit Unternehmergeist auf allen Ebenen Chancen zu entdecken und nutzen. 

Wenn Sie talentierten Bewerber*innen eine Chance geben wollen, obwohl sie diese gerade nicht einstellen können, dann integrieren Sie eine Ideen-Challenge in ihr Bewerbungsverfahren und laden die Besten Ideen zu einem Zukunftsgestalter-Workshop ein, um Perspektiven für Ihr Geschäftsmodell zu entwickeln. Das beste Konzept bekommt dann die Möglichkeit, diese als Gründerteam umzusetzen – evtl. sogar mit staatlicher Unterstützung für Arbeitslose als Existenzgründer. 

 

Was verändert sich für Familien mit Kindern der Generation Z? Und was empfehlen Sie der Generation Z bzw. den Eltern? 

Familien werden von dieser Krise ganz unterschiedlich stark betroffen sein, je nach beruflicher Situation, Anzahl und Alter der Kinder, oder Regelungen in den Bundesländern. Die meisten Familien müssen finanzielle Einbußen hinnehmen – sie werden vorsichtiger konsumieren und dem Sparen für schwierige Zeiten mehr Bedeutung beimessen. Unterstützung für Kinder in Ausbildung und Studium werden viele zurückfahren müssen und Kinder wieder (sofern möglich/erforderlich) zuhause beherbergen. Eltern kommt in der nächsten Zeit eine noch wichtigere Aufgabe als Motivationscoach für ihre Kinder zu. Wenn Jugendliche sich fragen, wofür es sich lohnt zu lernen bei der hohen Arbeitslosigkeit. Wenn ihnen die Struktur im Alltag und das Miteinander mit Freunden fehlt.

Das wichtigste, was junge Menschen jetzt benötigen, um weiterzumachen, sind Ziele: fordernde, motivierende, realistische Ziele. Wenn Sie Kinder haben, helfen Sie ihnen, solche Ziele zu setzen und arbeiten sie mit allen Tricks der Motivations-Coaches wie z.B. die Visualisierung der Ziele (Erfolgsbilder), dem Formulieren von Zwischenzielen (Erfolgserlebnisse auf dem Weg), finden von Unterstützern für die Zielerreichung (Erfolgsteams) oder der Arbeit mit dem Unterbewusstsein (Glaubenssätze). 

Ein Beispiel: Sven ist 21 und gerade fertig mit der Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann. Da sein Arbeitgeber ihn im Moment nicht weiterbeschäftigen kann, ist das Ziel eine neue Anstellung zu finden. Ich empfehle jetzt nicht alle Energie in Bewerbungen zu stecken, sondern parallel durch Engagement das Berufsziel auf alternative Weise auszuleben und wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Sven zum Beispiel könnte bei der örtlichen Tafel helfen – zunächst mit einfachen Hilfstätigkeiten und später mit der Planung und Umsetzung eines digitalen Kommunikationskonzepts. Dadurch wirkt Sven auf künftige Arbeitgeber wesentlich attraktiver (weil er die Zeit der Krise gut genutzt hat) und nicht selten ergeben sich aus dem Engagement die Kontakte für eine neue Beschäftigung. 

 

Zum Abschluss noch eine Frage zu Vorträgen über die Generation Z: Wie werden Sie Ihre Vorträge über die Generation Z verändern? 

Am häufigsten werde ich gebucht, um Firmen, Führungskräften und Verbänden zu erzählen, wie junge Menschen ticken und wie sie diese als Mitarbeitende oder Konsumenten gewinnen, begeistern und binden können. Das Thema wird noch relevanter, weil sich viele jetzt fragen, was sich bei der Generation Z verändert und wie sie auf diese Veränderungen reagieren sollen. Die Einteilung meiner Vorträge in Wissen, Strategie und gute Beispiele werde ich nicht ändern. Allerdings betreibe ich aktuell viel Trendforschung, spreche mit Kunden und teste Lösungskonzepte, um meine Kunden kompetent durch die Krise zu führen und Teil der Lösung zu sein.

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